Dienstag, 19. März 2024
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49,5 Milliarden Euro Kindergeld bei Hartz-4 angerechnet

Hartz-4: Kindergeld wird angerechnet

Eine Zahl illustriert, wie die Schere zwischen Arm und Reich im Land wirklich funktioniert: Kindergeld in Höhe von 49,5 Milliarden Euro ist zwischen 2007 und 2017 bei Hartz-IV-Empfängern angerechnet worden. Es ist Geld, das eigentlich den Kindern gesetzlich zusteht, das aber den Eltern vorenthalten wird, weil man das „Lohnabstandsgebot“ zu arbeitenden Eltern aufrecht erhalten will. Allein 2017 wurden Hartz-Leistungen um insgesamt 4,9 Milliarden Euro vermindert, weil so viel Kindergeld an die Betroffenen floss. Dies hat die Bundesregierung auf eine Frage der Bundestagsabgeordneten Sabine Zimmermann (MdB – DIE LINKE) mitgeteilt.

Zimmermann, Sozialexpertin der Linkspartei, bezeichnete die Anrechnung des Kindergeldes auf Hartz IV als „Dauerskandal“. Sie sagte: „Kinder Gutverdienender profitieren vom Kinderfreibetrag. Kinder aus Familien, die nicht auf Hartz IV angewiesen sind, bekommen das Kindergeld. Die Ärmsten aber bekommen gar nichts.“ Zimmermann sagte auch, das sei das Gegenteil von vorausschauender Familienpolitik.

Systemfehler der Volkswirtschaft schaffen Armutsfalle

Hartz-4 ist längst eine Armutsfalle geworden, aus der sich vorallem Alleinerziehende kaum noch selbst befreien können. Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) beharrt jedoch auf dem Lohnabstandsgebot. Er sagte zuletzt hatte in einem RTL-Interview, gesagt, „dass wir immer noch ein Lohnabstand brauchen zwischen Menschen, die Arbeit haben und denen, die keine haben“. Eine Grundsicherungsbezieherin hatte ihn gefragt, warum Kindergeld angerechnet werde.

Der Lohnabstand soll verhindern, dass man mit aus Steuermitteln finanzierten Hartz-Leistungen ein höheres Einkommen erzielt als mit Einkommen aus Arbeit. Heil zeigte in dem Inteview zwar Verständnis für die Fragestellerin, sagte aber, er müsse auch an jene denken, „die noch in Arbeit sind, aber wenig verdienen“. Ziel des Arbeits- und Sozialminister ist es, einen geplanten sozialen Arbeitsmarkt zu schaffen, und möglichst viele Menschen aus der Grundsicherung heraus zu holen.

Volkswirtschaftlich ist es aber ein Systemfehler, denn Arbeitnehmer können bei zu geringen Einkünften auch Wohngeld beanspruchen und können in der Regel auch von Riester-Sparvertägen und Wohnungsbauprämien profitieren. Ein korrekter Vergleich zwischen Grundsicherung und Arbeitseinkommen müsste anders aussehen.

Was nicht bedacht wird: rund 50 Milliarden € fehlen auch Händlern, Dienstleistern, Apotheken und Freizeiteinrichtungen, denn Hartz-4 Empfänger geben das zur Verfügung stehende Geld auch meist vollständig aus. Der fehlende Umsatz fehlt so auch bei den Beschäftigten in Produktion, Wirtschaft und Handel.

Kindergeld soll auch vor Armut schützen

Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann sagte, auch für Arbeitnehmer sei wichtig, dass sie und ihre Familien sich im Fall von Erwerbslosigkeit darauf verlassen können, dass der Staat sie vor Armut schütze. „Das Kindergeld würde in dieser Situation eine echte Entlastung bedeuten.“

Das Kindergeld beträgt 194 Euro für das erste und zweite, 200 Euro für das dritte und 225 Euro für das vierte und jedes weitere Kind. Entsprechend mindern sich das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld in den betroffenen Familien.