Von Michael Springer
Weihnachten 2023 wird wieder über eine Leitkultur diskutiert! — Friedrich Merz hat dazu den Anstoß gegeben: „… der Weihnachtsbaumkauf gehört zur deutschen Leitkultur!“
Sofort erhob sich großer Protest, und es wurde mit böswilligen Umkehrschlüssen getextet: Alle in Deutschland lebenden Menschen, die Weihnachten nicht feiern, sein damit logisch gefolgert keine gut integrierten Deutschen! Max Czollek vom SWR insinuierte: „Nicht die hellste Kerze am Baum – Warum Friedrich Merz den Weihnachtsbaum zur Leitkultur erklärt.“ ( SWR 22.12.2023 ).
Doch schon die alten Germanen schmückten ihre Heimstätten seit vielen Jahrhunderten mit immergrünen Pflanzen, die in heidnischen Kulturen ein Symbol für Fruchtbarkeit und Lebenskraft sind. „Wintermaien“ sind daher altes germanisches Brauchtum zur Wintersonnenwende, das sich aber mit der Christianisierung in ganz Europa nach und nach wandelte.
Historisch gehört der Weihnachtsbaum seit mindestens seit 1419 zur europäischen Kultur, als die Bäckerzunft in Freiburg nachweislich einen geschmückten Baum feierte. — Zu dieser Zeit gab es Deutschland noch gar nicht als Nation.
Zwei osteuropäische Länder streiten bis heute darum, das Geburtsland des Weihnachtsbaumes zu sein: Sowohl Lettland als auch Estland beanspruchen die Tradition für sich:
- Die lettische Stadt Riga feierte im Jahr 2010 das 500. Jahr der Weihnachtsbaumtradition. 1510 trugen deutschstämmige Kaufleute einen Weihnachtsbaum durch die Stadt.
- In Estland soll bereits 1441 ein Weihnachtsbaum in ähnlicher Weise geschmückt worden sein.
Nach einer Überlieferung aus dem Jahr 1535 wurde damals in Straßburg bereits mit Bäumen gehandelt. Es wurden kleine kleine Eiben, Stechpalmen und Buchsbäume verkauft, die noch ohne Kerzen in den Stuben aufgehängt wurden. Zu dieser Zeit war der Christbaum bereits zum Weihnachtssymbol der Protestanten erklärt worden – die katholische Kirche lehnte ihn noch längere Zeit ab und wehrte sich gegen den unreligiösen Brauch.
Erst ab 1570 tauchte der Brauch auch im Norden auf: In den Zunfthäusern der Bremer Handwerker wurden mit Äpfeln, Nüssen und Datteln behängte Bäume aufgestellt. Kinder durften den schmackhaften Schmuck abnehmen und essen.
Ab etwa 1730 wurden die Bäume auch erstmals mit Kerzen geschmückt. Die Lichterbäume standen aber zunächst nur in den Häusern evangelischer Familien.
Konfessionsübergreifend eroberte der Tannenbaum die Wohnzimmer in der Zeit der Freiheitskriege gegen Napoleon zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Der Baum wurde damals zum Sinnbild des Deutschtums und unabhängig von der Glaubensrichtung als Bestandteil des Weihnachtsfestes anerkannt.
Der Weihnachtsbaum ist damit ein Teil der deutschen Leitkultur seit 1730, das allerdingst danach „internationalisiert“ wurde.
Amy McKeever hat die weltweiten Tradtionen rund um den Weihnachtsbaum zusammengetragen und interessante Aspekte von Geschichte und Kultur zusammengetragen: „Warum gibt es Weihnachtbäume? Die Geschichte hinter der grünen Tradition“ ( National Geographic | 23.12.2020 ).
Die Tradition eines weiteren berühmten Weihnachtsbaums hat ihren Ursprung im 2. Weltkrieg. Die Tanne, die jedes Jahr auf dem Trafalgar Square in London aufgestellt wird, kommt stets aus Norwegen. Sie soll an den gemeinsamen Kampf der beiden Länder gegen Nazi-Deutschland erinnern. Auch der Papst und die Stadt Rom lassen sich zur Weihnachtszeit von dem Glanz eines riesengroßen Baumes auf dem Petersplatz verzaubern. Traditionell stammt der Baum jedes Jahr aus einem anderen Land.
Der Weihnachtsbaum wird heute auch als ein christliches Symbol verstanden, auch wenn es aus alten heidnischen Brauchtum entlehnt wurde. In der Bibel symbolisieren Bäume beispielsweise Glaubensstärke. Das Kreuz Jesu wird in der christlichen Tradition auch „grünes Holz“, mit dem die Tür zum ewigen Leben aufgestoßen wurde. — So ist der Weihnachtsbaum heute als weltweit beliebtes Symbol der christlichen und europäischen und deutschen Leitkultur geworden!