Samstag, 22. März 2025
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Großflächenwerbung — ein Dauerärgernis!

Grossplakatwerbung an Hausfassaden

Das Eckhaus an der Kantstraße Ecke Kaiser-Friedrich-Straße wirbt auf einer Gerüstplane mit den mutigen Lettern „AM BESTEN SCHMECKT´S, WENN ES ALLEN SCHMECKT!“ — Die opulente Großflächenwerbung für plastikverpackte, vegane und konventionelle Brotaufstriche der Marke „Rügenwalder Mühle“ ist ein Fall für eine öffentliche Rüge und ein „Compliance-Fall“ zum Thema Nachhaltigkeit.

Die beliebte Handelsmarke wird hier auf hunderten Quadratmetern schwer entflammbarer Kunststoff-Folien im Stadtbild präsentiert. — Der Werbezweck ist klar erkennbar — erkennbar werden aber auch die Fenster der dahinter liegenden Mietwohnungen verdeckt! — Das Thema „Nachhaltigkeit“ ist nicht im Blick.

Die Mieter hinter den sonnenexponierten Fassaden haben einen heißen, luftaustauscharmen und auch gesundheitsgefährlichen Sommer erlebt. Nicht nur feinstaubhaltigen Straßenabgase steigen wie bei einem Kamin vor den Fenstern auf. — Auch heiße Luft und im Ernstfall heiße Brandgase!

Baurechtlich sind Gerüstschutzplanen hoch umstritten, denn in den Baugewerken haben Gerüstplanen und -Schutznetze vorrangig technische Zweckbestimmungen:

  • Gerüstnetze sind ein Schutz vor herabfallenden Putzbrocken, Gegenständen und Materialien für Fußgänger. Netze sind in der Regel grobmaschig und luftdurchlässig.
  • Gerüstplanen und Staubschutzplanen dienen hauptsächlich als Wind- und Wetterschutz für die Bauarbeiter und als Staubschutz beim Abschlagen von Altputzen, bei Sandstrahlarbeiten und bei Farbbeschichtungen und schützen dazu die näheren Umgebung der Baustelle.
  • Bedruckte Werbeplanen aus schwerentflammbaren Kunststoffen, wie PVC undHDPE, sind vorwiegend zur Erzielung von Werbegeldern entwickelt worden. Die technischen Schutzzwecke sind wirtschaftlich nur Nebenzwecke.

An herausragenden Flächen und Eckhäusern sind die Werbeeinahmen sehr hoch. Es entsteht der Anreiz, die Werbeplanen zum Alleinzweck zu machen, den Mietern die Wohnqualität zu verleiden, und notwendige oder laufende Umbaumaßnahmen zu verschleppen.

Die Bauordnung wurde 2005 noch unter SPD-Senatorin Junge-Reyer gelockert, Baustellenwerbung wurde genehmigungsfrei, obwohl dichte Planen besondere Brandschutzrisiken begründen.

Problem ist die „Schwerentflammbarkeit“: im Brandfall einer Wohnung in den Untergeschossen, breiten sich heiße Rauchgase hinter der Plane wie in einem Kamin aus, ohne die Plane zu verbrennen. Der giftige Brandrauch kann so darüberliegende offene Fenster erreichen, und dort die Sicht auf Fluchtwege versperren.

Es drohen ernste Rauchvergiftungen. Im Ernstfall kann die Feuerwehr nur unter erschwerten Bedingungen einen Erstangriff durchführen, weil die Quelle des Feuers nicht vor Außen erkennbar ist.

Gefahrenbegrenzung hat Vorrang vor Werbung

An bewohnten Mietshäusern müssen die technischen Bauzwecke Vorrang bekommen, und auch gegen Brandschutzfälle versichert werden.

Die Berliner Bauordnung ist eindeutig: Baugerüste mit Werbeanlagen dürfen nur im direkten Zusammenhang mit tatsächlichen Baumaßnahmen genutzt werden — für maximal sechs Monate.

Seit 1999 ist das Thema immer wieder von Baustadträten in Berlin ergebnislos angefasst worden. Auch für Stadtrat Oliver Schruoffeneger (Bündnis 90/Grüne) sind die Großflächenwerbungen schon länger „ein Dorn im Auge,“ er sagte dazu: „Gerade die großflächige Verhüllung von Wohngebäuden ist für mich nicht tolerierbar.“ — Schon in der letzten Wahlperiode hatte Schruoffeneger die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gedrängt, die Baugerüstwerbung stärker zu reglementieren“.

Die sommerliche Hitzeperiode und die Gefahren von Hitzetoten UND die Brandschutz-Gefahrenabwehr erzwingen eine stärkere Betonung der Mieterinteressen und des Gesundheitsschutzen. Auch der Tatbestand der Baugefährdung ist abzuwägen! — Denn verlängerte Löscheinsätze bedeuten auch mehr Löschwasser und sorgen für monatelange Unbewohnbarkeit.

Rechtlich geht es daher um „unveräußerliche Schutzgüter“: um „Gefahrenabwehr“ und Baugefährdung; nicht um Sondernutzungserlaubnisse, Gebühreneinnahmen und Abschöpfung von Werbeeinahmen.

Ob das in eine neue, „einheitliche und restriktive Genehmigungspraxis im Rahmen des bestehenden Rechts“ einfließt, ist noch offen.

Stadtentwicklungsstadtrat Fabian Schmitz-Grethlein (SPD), Ordnungs- und Umweltstadtrat Oliver Schruoffeneger (Bü90/Grüne) müssen dazu auch Gesundheitsstadtrat Detlef Wagner (CDU) in die Neuregelungen einbeziehen — und Experten für Brandschutz hinzuziehen.