Donnerstag, 25. April 2024
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Land unter in den Mäckeritzwiesen

Immer noch Hochwasser in Tegel

Die ehemaligen Kleingartenanlagen Beusselsche-, Albrechtsche-, Köppensche Erben und Eigenland – die sogenannten Mäckeritzwiesen – melden „Land Unter“. Die Anwohner kämpfen gegen die Regenfluten und das hereindrückende Wasser, das Haus um Haus erfasst hat. In den Gärten steht das Wasser mehr als knietief. Die Anwohner haben um Hilfe ersucht. Das Technische Hilfswerk hatte tatsächlich einen Tag lang Wasser abgepumpt, aber schon nach Stunden kam das Wasser zurück.

Rund 7 Hektar mit 124 Parzellen und einer Zahl von ca. 500 Bewohnern sind vom hohen Grundwasserstand und dem Überstau betroffen. Das Grundstück ist nicht real geteilt, die Einzeleigentümer besitzen jeweils einen ideellen Anteil am gesamten Grundstück. Grundstückskredite für etwaige Sanierungs- und Erschließungsmaßnahmen sind damit erschwert.

Einige Lauben oer Wohnlauben trotzen noch dem Wasser, sie stehen auf erhöhten Fundamenten. Aber nach dem Bruch einer Wasserleitung ist auch die Trinkwasserversorgung unterbrochen.

Weder der Bezirk Reinickenorf noch die Senatsverwaltung haben bisher Hilfe in Gang gesetzt. Immerhin: eine Prüfung ist im Gang. Die Berliner Wasserbetriebe haben einen Experten entsandt. Desssen Möglichkeiten sind aber begrenzt, denn die Entwässerung fubktioniert nicht, weil die „Flut“ höher steht, als mögliche in der Nähe verfügbare „Vorfluter“. Zudem ist der Grundwasserstand starkt erhöht, der nahe Hohenzollernkanal führt Hochwasser.

Der Bezirk Reinickendorf ist in einem ähnlichen Dilemma: seine Zuständigkeit betrifft die Entwässerungsgräben, die aber derzeit auch völlig überstaut und in der braungrünen Brühe praktisch unsichtbar sind.

Die Anwohner sind verzweifelt, wie etwa Viola F., die sich in der Berliner Abendschau am 26.7.2017 zu Wort meldete, und auf die Solidarität und Hilfsbereitschaft im Landkreis Goslar verweist.

Was ist nur auf den Mäckeritzwiesen los? – Die Redaktionen in Berlin schwärmen nun aus, die Ursachen zu klären.

Mäckeritzwiesen – Wohnsiedlung aus „wilder bürokratischer Wurzel“

Das „Siedlungsgebiet“, man beachte die Anführungszeichen, ist zwischen dem Flughafen Tegel und dem Hohenzollernkanal gelegen und weist eine natürlich Senke aus. Es liegt nur wenige hundert Meter vom geplanten Standort der „Urban Tech Republic“, die nach Stillegung des Flughafen Tegel entstehen soll, und Berlin als „Kompetenzzentrum für Smart City-Technologien“ positionieren soll.

Für das Gelände der Mäckeritzwiesen wurde auf Betreiben des damaligen Reinickendorfer Baustadtrates Dr. Rüther der Bebauungsplan 12-43 aufgestellt, obwohl hier eigentlich eine planungsrechtliche Festlegung als „Grünfläche“ galt.

Die ehemaligen Kleingartenanlagen wurden schon in den 1930er Jahren privatisiert, nach dem Krieg wurde mit der zeitlich befristeten Duldung von Wohnlauben zur Behebung der Wohnungsnot ein Trend zum Ausbau einer Wohnsiedlung verstärkt. Wegen der Nähe zum Flughafen Tegel konnte hier jedoch keine übliche städtebauliche Entwicklung zugelassen werden. Eine planungsrechtlich legitimierte Wohnnutzung hätte einen nicht lösbaren Konflikt mit der Flughafennutzung nach sich gezogen.

Mit der beabsichtigten Schließung des Flugverkehrs in Tegel und der erfolgten Änderung der Darstellung im FNP (seit Januar 2012: Wohnbaufläche) wurde zur Sicherung der städtebaulichen Entwicklung die Festsetzung eines Bebauungsplans erforderlich.
Ein Insider aus der Berliner Wasserwirtschaft sagte auf Anfrage: „Die Mäckeritzwiesen hätten niemals bebaut werden dürfen – der ehemalige Baustadtrat hat wider besseres Wissen den B-Plan vorangetrieben“.

Wohngebiet mit ausgebauten Garten- und Wohnlauben

Die „Mäckeritzwiesen“ sind im aktuellen baulichen Zustand eine aus Erweiterungen ehemaliger Garten- und Wohnlauben entstandene Wohnsiedlung, die nicht nach den Anforderungen der Berliner Bauordnung errichtet wurden. Eine Mischung aus Wohnlauben, ausgebauten Wochenendhäusern und einer Kleinsiedlung ist entstanden, weil die Baubehörden jahrzehntelang wider besseres Wissen eine Duldung und Weiterentwicklung zugelassen haben. Bis 2009 war die Fläche als Grünfläche im Flächennutzungsplan ausgewiesen, und hätte als Kleingartenanlage weiter entwickelt werden können. Doch die geografische Lage nahe dem Hohenzollernkanal ist prekär: hier ist mit Überflutungen zu rechnen. Die alten Berliner Stadtbaumeister wußten das noch. Der alte Baunutzungsplan vom 28.12.1961 weist die Flächen sogar als Nichtbaugebiet aus.

Änderungen des Baurechts als Entwicklungstreiber

Nichtbaugebiete des alten Berliner Baunutzungsplans waren mit des Verabschiedung des Bundesbaugesetzes 1973 nicht in geltendes
Planungsrecht übergeleitet worden. So kam es wie es gesetzlich kommen mußte: neue Baugesuche konnten nun nach § 34 bzw. § 35 BauGB beurteilt und genehmigt werden.
Das OVG Berlin hatte zuvor im Jahr 1989 festgestellt, dass sich die planungsrechtliche Grundlage trotz einer Vielzahl von ungenehmigten Bautätigkeiten nicht in Richtung auf §34 BauGB (Bauen im Innenbereich) entwickelt hatte. Einzel-Vorhaben waren also nach § 35 BauGB (Bauen im Außenbereich) zu beurteilen.
Wegen der entgegenstehenden öffentlichen Belange, vor allem der Grünflächen Darstellung des Flächennutzungsplans, hätte die Bauaufsicht die Wohnnutzung nicht genehmigt dürfen, sogar zurückdrängen müssen.

Runder Tisch hebt Grundlagen des Städtebaus und die Schwerkraft auf

Ab etwa 1995 wollte der damalige Baustadtrat Dr. Rüther die Frage der „verfestigten Siedlungen auf den Mäckeritzwiesen“ lösen und und lud zu einem runden Tisch der Senats- und Bezirksverwaltungen und der Vertreter der Bewohner ein. Die planungs- und baurechtlichen Möglichkeiten wurden zuvor untersucht. Die Aufmerksamkeit richtete sich dabei vorwiegend auf „Brandschutz“, notwendige Mindestabstandsflächen und das Herstellen von Brandwänden. Ein Duldungskonzept für den räumlichen Bereich der Eigentümerkolonien auf den Mäckeritzwiesen wurde als Grundlage für das weitere Vorgehen erarbeitet.

„Das Duldungskonzept war zweistufig angelegt und sah die „einfache Duldung“ für den Fall vor, dass durch Herstellen der notwendigen Mindestabstandflächen von der Grundstücksgrenze oder von den benachbarten Gebäuden oder durch andere Maßnahmen wie das Herstellen von Brandwänden dem Brandschutz genüge getan wurde.“

Die sogenannte „aktive Duldung“ wurde ausgesprochen, wenn die Parzelle so vorbereitet war, dass die Baulichkeiten aller Voraussicht nach auch unter der Geltung eines Bebauungsplans, der dort die offene Bauweise vorsehen würde, und planungsrechtlich genehmigt werden könnten. Dies betraf vor allem das Maß der Nutzung und die Berücksichtigung eines Vorgartenbereichs.

Offensichtlich nicht ausreichend berücksichtigt wurden die Grundwasserverhältnisse, die Erdanziehungskraft und die Veränderung des Wasserhaushalts. Seit 2009 hatte der Senat von Berlin drei Wasserschutzgebiete aufgehoben. In der Folge wurde auch die Grundwasserförderung durch die Berliner Wasserbetriebe eingeschränkt.

Geplantes Horrorszenario mit Umweltbericht – gleich neben der geplanten „Urban Tech Republic“

Im Schlussbericht zum Wasserkonzept für Berlin, das damals die Entwicklung des Trinkwasserbedarfs und der -versorgung bis zum Jahr 2040 prognostizierte, geht man von steigenden Wasserständen aus:

„Mit Flurabständen von weniger als 2,5 Metern müsse jedoch großräumig im Bereich der Gewässer gerechnet werden, insbesondere entlang der Havelbucht „Spandauer See“, auch im Bereich des Schlossparks Charlottenburg und des Volksparks Jungfernheide sowie in nördlicher Verlängerung der Mäckeritzwiesen und des Areals auf dem Gelände des Flughafens Tegel. Auch die Siedlungsgebiete von Charlottenburg-Nord, Kleingartenkolonien östlich der Autobahn zwischen Heckerdamm und Saatwinkler Damm, nördlich des Kraftwerks sowie Teile im Gewerbegebiet südlich des Ruhlebener Altarms der Spree seien von höheren Grundwasserständen betroffen.“

Der CDU-Abgeordnete Mathias Brauner malte schon 2009 ein Horrorszenario aus, das nun eingetreten ist. Er befürchtete Wasserstände wie 1850 und sieht Mitte, Charlottenburg und Spandau „unter Wasser“.

Im Jahr 2012 war das schon vergessen: mit der FNP-Änderung – dargestellt im FNP Januar 2012 – für die Fläche des Flughafens Tegel (Forschungs-/ Industriepark und Grünfläche) und auch die Flächen der Mäckeritzwiesen (Wohnbaufläche mit landschaftlicher Prägung) eröffnete sich die Möglichkeit, für das Gebiet der Mäckeritzwiesen ein Bebauungsplanverfahren mit dem Ziel der Festsetzung eines Wohngebiets einzuleiten. Die bauliche Nutzung mit einer GRZ=0,2 – bei eingeschossiger, offener Bauweise mit ausgebautem Dachgeschoss – entsprach praktisch dem durch widerrechtliche Bebauung entstandenen Bestand und legalisierte die „gewohnheitsrechtliche Landnahme der Laubenpieper“, ohne entsprechenden Planungswertausgleich.

Es gibt sogar einen Umweltbericht, in dem in wohligen Worten ein städtebaulicher Mißstand verschleiert wurde:

„Der Bebauungsplan begründet eine neue Wohnbaufläche auf einem Gelände, das zuvor als Grünfläche der Kleingartennutzung vorbehalten war, ohne dass diese planungsrechtliche Bestimmung verwirklicht worden wäre. Der Bebauungsplan soll dazu beitragen, das im Laufe der Zeit entstandene hohe Maß der baulichen Nutzung im Geltungsbereich auf ein in der offenen Bauweise übliches Maß zurückzuführen. Im Zusammenhang mit den geplanten Festsetzungen zur Begrünung der Parzellen wird sich dies langfristig positiv auf Umwelt und Natur auswirken.“

Der zuständigen Senatsverwaltung wurde die Planungsabsicht mit Schreiben vom 25.05.2012 mitgeteilt. Seitens der Senatsverwaltung und der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung (GL) wurden keine Einwände geäußert. Der Bebauungsplan soll im regulären Verfahren mit Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB durchgeführt werden.“

Was geflissentlich übersehen wurde: in dem Gebiet der Mäckeritzwiesen gibt es keine ordentliche Kanalisation. In unterkellerten Wohngebäuden sind sogar Öltanks eingebaut worden, die nun aufschwimmen und leckschlagen können.

Bauaufsichtlich wird nun im Fall Mäckeritzwiesen zu prüfen sein, ob die zuständigen Genehmigungsbehörden in strafrechtlich relevanter Weise in Sachen Baurecht, Wasserrecht und Umweltrecht versagt haben und Grundlagen des Städtebaus sträflich außer Acht gelassen haben.

Die betroffenen Anwohner tragen nun die Folgen einer vermeintlichen bürgerfreundlichen Baupolitik.