Mittwoch, 30. April 2025
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Muster-Strafanzeige gegen Großflächenplakate

Grossplakatwerbung an Hausfassaden

Von Michael Springer

Das Eckhaus an der Kantstraße Ecke Kaiser-Friedrich-Straße wirbt seit Jahren mit Großflächenplakaten. Vor Wochen war es noch eine „Veggie-Werbung“, inzwischen ist wieder „Smartphone-Werbung“ zusehen.
Ein Gebäude Gebäude in der Wilmersdorfer Straße steht seit Jahren leer. — Geld verdient der Eigentümer und die Werbefirma trotzdem: an einem Baugerüst wurde eine ungenehmigte Werbeplakate befestigt.

Diese und viele andere Fälle Berlin erfordern ein konzertiertes Handeln, denn die Bezirksverwaltungen und Baustadträte werden hier mit fadenscheinigen Einwändungen von Eigentümern in endlose juristische Scharmützel verwickelt. Die Glaubwürdigkeit der Verwaltungen und Ordnungsverwaltungen ist längst in Frage gestellt.
Gewinner ist bislang immer das Konto der Eigentümer. Sichere Werbeeinnahmen können gegen mögliche Bußgelder aufgerechnet werden,n können.

Stadtentwicklungsstadtrat Oliver Schruoffeneger (Bündnis 90/Grüne) kämpft gegen das einträgliche Werbegeschäft, und hat im August 2022 zumindest einen Teilerfolg errungen, indem er einen Bußgeldbescheid erließ.

Doch gegen den gegen die Werbefirma gerichteten bezirklichen Bußgeldbescheid wurde Einspruch erhoben. Das Amtsgericht Tiergarten gab dem Bezirk in der Sache Recht, die Zulässigkeit eines Bußgeldes wurde bestätigt. Gerichtlich wurde der bezirkliche Bescheid jedoch von 234.000 Euro auf 24.000 Euro reduziert — wodurch die „pönalisierende Wirkung“ wegfällt. Denn die monatlichen Werbeeinnahmen übersteigen schon bald die Bußgeldsumme.

Am 9.8.222 erklärte Stadtentwicklungsstadtrat Schruoffeneger dazu:

„Viele Großflächenwerbungen verschandeln das Stadtbild. Daher gibt es klare Regelungen, die dazu beitragen sollen, diese zu reduzieren und nur unter ganz bestimmten Bedingungen zuzulassen (z.B. zur Finanzierung einer denkmalrechtlichen Sanierung des Gebäudes). In der City-West als attraktivem Werbestandort haben wir massive Probleme mit illegalen Großflächenwerbungen. Das Urteil macht deutlich, dass wir dringend verbesserte rechtliche Möglichkeiten für die Bezirke benötigen, um die Verschandelung des Stadtbildes zu begrenzen. Unser Versuch, mit einer hohen Bußgeldforderung wenigstens ansatzweise die Gewinne aus der illegalen Werbung abzuschöpfen ist gescheitert. Das vom Gericht nunmehr festgesetzte Bußgeld hat eher den Charakter eines kleinen Nadelstiches, statt einer wirkungsvollen Abschreckung. Für die Kolleginnen und Kollegen meines Amtes ist es frustrierend festzustellen, dass viel Arbeit investiert werden muss, ohne die erwünschte abschreckende Wirkung zu erzielen. Es ist dringend erforderlich, die Bußgeldvorschriften so zu verändern, dass sich illegale Großflächenwerbung einfach nicht mehr lohnt. Hier muss der Senat zu Beginn der nächsten Wahlperiode tätig werden.“

Von Ermessensfragen über Baurecht zum Gefahrenabwehrrecht

Die Redaktion der Charlottenburg-Wilmersdorf-Zeitung bereitet eine Dokumentation vor, um eine „Muster-Strafanzeige gegen Großflächenplakate“ formulieren zu können und alle in Fragen stehenden Rechts- und Schutzgüter, Genehmigungsrecht und auch das Strafrecht benennen zu können.

Folgende Rechtsgebiete werden dabei betrachtet:

  • Mietrecht, Mieterschutz und Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum
  • Genehmigungsrecht für Baustellen und Werbeanlagen
  • Baurecht und Bau-Strafrecht bei Baugefährdung und vorbeugenden Brandschutz
  • Körperverletzung und psychische Beeinträchtigungen gegenüber Mietern
  • Energiesparverordnung – hinsichtlich nächtlicher Beleuchtung
  • Bauordnungsrecht und verbotswidrige Bauauführung, incl. Arbeitsschutz.
  • Nachbarschaftsrecht, örtsübliche Beeinträchtigung, Lichtverschmutzung.
  • Zivilrechtliche Ansprüche, Arbeitssicherheit und Versicherungsschutz.
  • Hitzeschutz, Extremwetterereignisse und Verkehrssicherheit.

In der Zusammenschau der rechtlichen Aspekte wird ein bislang von den bezirklichen Baustadtstadträten übersehener „strafrechtlicher Aspekt“ herausgeabeitet, der Gefahr für Leib und Leben von Bewohnern und Mietern und mittelbar von Passanten betrifft.
So können künftig auch das Gefahrenabwehr-Recht und Strafrecht gegen Verantwortliche als Verbots- und Versagungsgründe angeführt werden.

Aus baufachlicher Sicht sind „Großflächenplakate“ keine notwendige Ausstattung bei Gerüstarbeiten, bei denen in der Baupraxis nur Gerüstschutznetze gemäß der DIN EN 1263-1 für temporären Staubschutz und Schutz gegen herabfallende Gegenstände eingesetzt werden.

In Bezug auf Extremwetter (Hitzeschutz, Sturm) ist sogar fraglich, ob ein Versicherungsschutz herstellbar ist, weil in exponierten Lagen „Hitzetote“ und „Personenschäden“ vorhersehbare Ursachen sind, bei denen Versicherungen im Schadensfall ihre Haftung versagen.

Zivilrechtlich und in Bezug auf Mieterschutz muss zudem geklärt werden, ob der geldwerte Vorteil aus der Vermietung der Werbefläche als angemessener Nachteilsausgleich den Mietern zusteht, die mangelnde Sicht, mangelnde Durchlüftung und gesundheitliche und psychisches Beeinträchtigungen zu beklagen haben.

Bei mehrmonatig leerstehenden Häusern mit Großflächenwerbungen muss auch geprüft werden, ob baurechtliche Zweckänderungen vorliegen, die von „wesentlichen Nutzungsänderungen“ ausgehen, wenn etwa ein Wohnhaus zur „reinen Werbeanlage“ wird.

Mit dem Entwurf einer „Muster-Strafanzeige gegen Großflächenplakate“ werden Argumente zusammen gestellt, die aus bisherigen „Ermessenstatbeständen“ in „strafrechtliche Vorermittlungstatbestände“ und des Gefahrenabwehrrecht“ und zwingenden staatlichen Handlungspflichten hineinführen.

Mehr Informationen:
info@charlottenburg-wilmersdorf-zeitung.de

Siehe auch: Großflächenwerbung — ein Dauerärgernis!